Philosophy of a Knife

Philosophy of a Knife, Russland/USA, 2008, Andrey Iskanov

Die Einheit 731 war nach der Besetzung der Mandschurei und während des zweiten Japanisch-Chinesischen Kriegs, zwischen 1932 und 1945, eine von vielen geheimen Einrichtungen der japanischen Armee, die biologische und chemische Waffen erforschte, erprobte und einsetzte. Dazu wurden auch Experimente an lebenden Menschen vorgenommen.
Die in den Versuchen der Einheit 731 getöteten Menschen waren schätzungsweise 3500 chinesische Zivilisten und amerikanische, britische und sowjetische Kriegsgefangene. Außerdem wurden in den Jahren 1940 bis 1942 mindestens sechs Feldversuche mit Krankheitserregern durchgeführt, darunter Milzbrand und Pest, die mehrere Tausend Menschen das Leben kosteten. (Wikipedia)

Zwanzig Jahre nach Tun Fei Mous spannendem und nihilistischem Men Behind the Sun, nimmt sich der Russe Andrey Iskanov des Themas an und arbeitet die Geschehnisse in und um Einheit 731 mit einem viereinhalbstündigen Konglomerat aus Zeitzeugendoku und Splatterfilm auf.

Dialoge gibt es keine, dafür gleich drei Erzähler: Einen neutralen, dokumentarischen, der die Archivaufnahmen historisch einordnet, einen fiktiven – eine an den Versuchen der Einheit beteiligte Krankenschwester –, sowie Anatoly Protasov, der im Kriegsverbrecherprozess von Chabarowsk als Dokumentübersetzer fungierte, und über die Einheit nichts zu berichten weiß, das interessanter oder spannender wäre als die nachgestellten Szenen, aus denen der Film zum überwiegenden Teil besteht. Letztere zeigen, dass Iskanov das Thema weitaus weniger ernst nimmt als er uns und wahrscheinlich vor allem sich selbst weißmachen möchte.

Man kann ihm nicht übel nehmen, dass er Shinya Tsukamoto und seinen Tetsuo liebt, die Ereignisse der Einheit mit seinem furiosen Bild- und Tonschnitt in ein donnerndes Industrialvideo verwandelt; auch seine Freude am Inszenieren extremer Folterszenen und dem hemmungslosen Verschütten von Kunstblut geht prinzipiell in Ordnung. Kino muss ja nicht politisch korrekt sein oder moralisch oder klug. Nur ehrlich, das sollte es sein. Deshalb ist es Iskanov auch kaum zu verzeihen, dass er seine avantgardistisch-hippe, ultrabrutale Grand Guignol-Nummernrevue mit dem Dokuteil und einer Widmung ("to all victims of war") zu rechtfertigen versucht. Hätte er doch bloß darauf verzichtet und Philosophy of a Knife ganz und gar auf das exploitative Blutbad reduziert. Ein guter Film wäre er dann zwar immer noch nicht geworden – dazu sind die Darsteller zu schlecht und die Make-up-Effekte zu billig –, aber wenigstens ein radikaler und ehrlicher.



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